CO2-Zölle – Klimaschutzmaßnahmen als neue Inflationstreiber

I. Einleitung
II. Einigungen im Dezember 2022 auf EU-Ebene
III. Maßnahmen als Inflationstreiber

Die rückgängige Inflation in den USA und der Europäischen Union vertreibt sukzessive die Zinssorgen von Anlegern. Gründe für den Rückgang der Zinssorgen sind die Rohstoffpreise. Der Preis für WTI ist vom Hoch im letzten Jahr um rund 40 % auf 74 USD je Barrel gefallen, der Preis für US-natural-gas nochmals stärker – vom Hoch im letzten Jahr um rund 60 % auf 3,76 USD je MMBtu. Weitere Gründe können die Covid-Lockerungen der Volksrepublik China sein und der dadurch nachlassende Druck im Bereich der Lieferketten.
Allerdings könnten die umfangreichen und von NGOs teils bejubelten Einigungen in den Legislativorganen der Europäischen Union ein neuer Inflationstreiber sein. Schon länger besteht die Befürchtung, dass durch die Transformation der Wirtschaft hin zu einer CO2-neutralen Kreislaufwirtschaft erhebliche Teuerungen auf Unternehmer und Verbraucher zukommen könnten.

II. Die Europäischen Union konnte sich im Dezember 2022 auf gleich drei wichtige Punkte einigen. Eine Erweiterung des EU-ETS-1 (1), den EU-ETS-2 (2) und die CO2-Zölle (3). Diese Einigungen wurden im Trilog gefunden. Der Trilog beschreibt den Gesetzgebungsprozess für überwiegend sekundäres Unionsrecht im Sinne des Art. 288 AEUV – für Richtlinien, Verordnungen, Empfehlungen etc. Hierfür müssen das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und der Ministerrat eine Einigung erzielen. Diese Einigung entspricht noch keinem endgültigen Beschluss im Sinne einer erfolgreichen Verabschiedung der Regelungen über die Legislativorgane. Offiziell angenommen ist dies erst nach der Verabschiedung in den zuständigen Gremien (hier der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments und der Ministerrat). Diese müssen noch formell zustimmen, was allerdings nach erfolgreichen Einigungen im vorab-Trilog als reine Formsache gilt.

1. Der erste Punkt erstreckt sich auf den EU-ETS-1, also dem Emissionshandelssystem der EU, welches die Energieerzeugung oder auch andere energieintensive Industrien wie z.B. die Zementherstellung betrifft. Diesen gab es grundsätzlich bisher schon.
Aus diesem System sollen jedoch künftig Millionen Zertifikate entnommen werden. Dadurch soll weniger CO2 emittiert werden, da weniger Zertifikate zur Verfügung stehen. Dies führt des Weiteren dazu, dass der Preis pro Tonne CO2 steigt (77,78 EUR pro t CO2 – 06.01.2023). Neben der allgemeinen Reduktion sollen künftig deutlich weniger Zertifikate verschenkt werden. Hintergrund für Schenkungen von CO2-Zertifikaten war Industrien, welche im internationalen Wettbewerb stehen, im Level-playing-field nicht weiter beschneiden. Bis 2030 sollen nur noch 50 % von dem, was heute verschenkt wird, übrigbleiben – bis 2034 sollen die Schenkungen sogar ganz auslaufen.
Erste Prognosen ergeben hier Folgendes: Wenn der Preis pro Tonne CO2 auf 140 EUR steigen sollte, würde dies den deutschen Kohleausstieg massiv beschleunigen. So erklärt Dr. Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, dass bei einem Preis von 140 EUR pro Tonne CO2 selbst moderne Braun- und Steinkohlekraftwerke nicht mehr rentabel arbeiten können und von einem Aus der Kohleverstromung im Jahr 2030 auszugehen sei. Michael Bloss von den Grünen erklärt zudem, dass ein europaweiter Kohleausstieg bis 2030 so wahrscheinlich geworden ist.
2. Zudem soll ein EU-ETS-2 Emissionshandelssystem bis 2027 eingeführt werden. Dieses System soll auch bis dato nicht im EU-ETS-1 enthaltene Industrien in den Bereichen Verkehr und Gebäude inkludieren, Emissionen bepreisen und folglich deckeln. Dieser Preis soll zunächst auf maximal 45 EUR pro Tonne CO2 steigen und nicht nur für Gewerbliche, sondern auch Private gelten. Zudem sollen die Einnahmen des ETS-1 und ETS-2 künftig zu 100 % in den Klimaschutz investiert werden. Die NGO WWF berichtete, dass in letzten 10 Jahren rund 90 Mrd. EUR Einnahmen allein durch das ETS-1 System in die Kassen der Europäischen Union geflossen sind.
Im Ergebnis führen die ETS-1 und ETS-2 dazu, dass ab 2027 75 % alle CO2 Emissionen bepreist und folglich gedeckelt sind.
3. Mit diesem Hintergrund droht Herstellern in Europa ein Wettbewerbsnachteil, sollten keine Mechanismen gefunden werden, Nachteile auf internationaler Ebene auszugleichen. Es besteht seit dem Sustainable Finance Action Plan die Sorge, dass Hersteller in Europa ihre Produktion nach China oder Indien auslagern, da dort kostengünstiger CO2 emittiert werden kann. Bisher wurden deshalb CO2-Zertifkate an Teile der Industrie verschenkt. Ein weiterer Mechanismus, um Wettbewerbsverzerrung zu verhindern, soll ab 2026 der sogenannte CO2-Grenzausgleichsmechanismus werden. Wenn Produkte in den Raum der EU importiert werden, die keiner ausreichenden CO2-Zertifizierung unterliegen, wird an der EU-Einfuhrgrenze ein Aufschlag fällig, um eine Vorteilsausgleichung gegenüber dem Ausland zu schaffen. Man spricht deshalb von CO2-Zöllen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Preise im Vergleich zum EU-Ausland hochgehalten werden, um so die europäische Industrie vor Wettbewerbsverzerrungen adäquat zu schützen.

III. Fragt sich, ob diese Maßnahmen ein Inflationstreiber sein können. Zunächst ist hier zwischen der kurzfristigen und langfristigen Perspektive zu differenzieren:
Kurzfristig wirken sich diese Einigungen der Legislativorgane wohl nicht inflationstreibend aus. Die Reformen im EU-ETS-1 sind bis 2030 oder 2034 angedacht, sodass diese kurzfristig nicht als Inflationstreiber gesehen werden können. Auch die Einführung des EU-ETS-2 wirken erst ab 2027, liegen also 4 Jahre in der Zukunft. Dasselbe lässt sich auch zum CO2-Grenzausgleichsmechanismus festhalten, da dieser erst ab 2026 greifen soll. Ein rapider Anstieg des Zertifikatepreises im EU-ETS-1 in Höhen von 140 EUR pro Tonne CO2 konnte bisher nicht festgestellt werden. Demzufolge ist von kurzfristigen Effekten nicht auszugehen.

Langfristig können diese Maßnahmen allerdings zu einem Inflationstreiber werden, da alle Mechanismen in den Jahren 2026-2030 anfangen zu wirken. Ebenfalls ist die Frage einer Verzollung von Export-Produkten aus der EU noch nicht geklärt. Hinzu kommt, dass der soziale Ausgleichsfonds mit einem Volumen von 87 Mrd. EUR wohl weiter ausbaufähig ist (deutscher „Doppelwumms“ allein 200 Mrd. EUR). Allerdings ist die Transformation in sozial-progressiver Weise ein entscheidender Faktor, was die Inflationsentwicklung angeht. Wenn Verbraucher zu sehr belastet werden, ist das Konsumverhalten rückläufig. Dies kann einen wesentlichen Inflationstreiber darstellen. Entscheidend ist also die Frage, ob die Transformation in sozial-progressiver Weise gelingen wird.

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