Das Ende des Verbrennungsmotors in der Europäischen Union?

Die EU hat sich ehrgeizige Ziele in Sachen Klimaschutz gesetzt. Schon im Jahr 2030 sollen die Emissionen im Vergleich zu 1990 um 55% gesenkt werden („Fit for 55″), 2050 soll eine neutrale CO2 Bilanz auf europäischer Ebene ausgewiesen werden können. Da Ziele allein nicht ausreichen bedarf es daher ambitionierter Maßnahmen zum Erreichen dieser zwingend notwenigen Ziele. Die EU-Kommission hat deswegen bereits vor einem Jahr verschiedene Maßnahmenpakete vorgeschlagen.

In diesem Statement soll es ausschließlich über die Emissionsziele für Pkw und Vans (A9- 0150/22) gehen und nicht um die mitdiskutierten Pläne über die Einbeziehung von See- und Straßenverkehr in den Emissionshandel (A9-0162/22) oder die marktbasierte CO2- Bepreisung für die Luftfahrt(A9-0155/22). Zunächst soll ein kurzer Überblick zur Abstimmung gegeben (I.), sodann auf die Rolle des Ministerrats eingegangen (II.), ein kurzer Exkurs zu den E-Fuels (III.) gelingen und abschließend meine Perspektiven (IV.) dargestellt werden.

Bisheriger Gesetzgebungsprozess hinter A9-0150/22

Die Kommission hat also von ihrem Initiativrecht im europäische Gesetzgebungsprozess Gebrauch gemacht.
Vor allem die Flottengrenzwerte für Pkw haben in den vergangenen Wochen für Aufruhr in Brüssel gesorgt. Mit aller Macht stemmen sich Interessengruppen gegen das Aus für Benzin und Diesel auf den Straßen, das auch gelten soll, wenn die Kraftstoffe in Form von E-Fuels synthetisch und klimaneutral erzeugt werden.

Sowohl die EU-Kommission als auch der zuständige Umweltausschuss im Europäischen Parlament sehen ab 2035 einen EU-weiten Flottenzielwert vor, der einer Verringerung des Ziels für das Jahr 2021 um 100 % entspricht, wie es in dem Gesetzesvorschlag heißt.
Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments hat den Vorschlägen der EU-Kommission teils deutliche Änderungen hinzugefügt. Anders wurde zuvor im Verkehrs- wie auch im Industrieausschuss gegen ein Komplettverbot bis 2035 gestimmt. Stattdessen sprachen sich die Abgeordneten dafür aus, den CO2-Ausstoß bis dahin um 90 Prozent zu reduzieren. „Das würde den Unternehmen im Sinne der Technologieoffenheit erlauben, auch die Nutzung alternativer Kraftstoffe voranzubringen“, erklärt dazu der verkehrspolitischen Sprecher der CDU/CSU- Gruppe Jens Gieseke. Das würde auch den vielen Zulieferbetrieben ein Zukunftsmodell bieten – es gehe um den Erhalt vieler Arbeitsplätze. Eine Forderung, die im Verkehrs- und im Industrieausschuss Mehrheiten fand.

Nun hat das Europäische Parlament dem Gesetzesentwurf des Umweltausschuss mit einer Mehrheit von 339 zugestimmt, 249 Stimmen gab es gegen den Gesetzesentwurf.

Gesetzgebungsprozess hinter A9-0150/22 zum Ministerrat

Daran anknüpfend muss diese Entscheidung nun noch mit den Mitgliedstaaten im Rat (Nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat oder dem Europarat!) verhandelt werden. Hier können noch wesentliche Änderungen entstehen. Dies könnte also ein Punkt sein, in dem das Parlament gezwungen ist, nachzugeben.

Das galt nach allgemeinem Dafürhalten aber bis vor Kurzem als unwahrscheinlich, nachdem die französische Ratspräsidentschaft im Frühjahr Zustimmung zum Kommissionsvorschlag andeutete. Auch die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke erklärte im Frühjahr, dass „Deutschland ein Ende des Verbrennungsmotors für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge in der EU ab 2035 unterstützt“. Ebenso zeigen die osteuropäischen Länder, die in vielen Punkten der

neuen Klimagesetze auf die Bremse treten, wenig Interesse, eine Nische für strombasierte Kraftstoffe auf der Straße zu schaffen.
Allerdings sollte man hier die Rolle Deutschlands in der Europäischen Union und insbesondere die Rolle der FDP in der Bundesregierung nicht unterschätzen – Stichwort „German Vote“. Auch wenn die einzelnen Länder im Ministerrat im Falle des A9-0150/22 durch deren Umweltminister:innen vertreten werden, herrscht in Deutschland nach Art. 65 GG das sogenannte Kollegialprinzip. D.h. kurz gesagt: Die Bundesregierung stimmt geschlossen und einheitlich ab. D.h. im Umkehrschluss, dass die Grünen-Politikerin Steffi Lemke keine Alleingänge forcieren kann. Blockt nun das liberal-besetze Finanz- und Verkehrsministerium die Entscheidung – namentlich Christian Lindner und Volker Wissing – wird sich Deutschland im Ministerrat diese Woche Dienstag (den 28.06.2022) enthalten müssen. Der Ministerrat entscheidet in dieser Sache mit qualifizierter Mehrheit. Deutschlands fehlende Zustimmung allein, würde für eine solche Blockade wohl nicht ausreichen. Für eine solche Blockade, sind nach geltendem Recht 35% der vertretenden Bevölkerung notwendig. Deutschland, Italien, Portugal, Bulgarien, Rumänien und die Slowakei, welche ebenfalls Bedenken äußerten würden jedoch mehr als 40% der vertretenen Bevölkerung ausmachen. Damit wäre das geplante Aus für den Verbrenner gestoppt.

Exkurs zu E-Fuels

E-Fuels oder synthetische Kraftstoffe sind Kohlenwasserstoff-Brennstoffe, die aus Wasserstoff und CO2 synthetisiert werden. Dabei wird Wasserstoff durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen. CO2 kann direkt aus der Atmosphäre, aus Biomasse oder aus Industrieemissionen gewonnen werden. Diese flüssigen oder gasförmigen Brennstoffe können ihr jeweiliges fossiles Gegenstück perfekt ersetzen. Sie zeichnen sich aus durch hohe Energiedichte und können gut gelagert und transportiert werden. Sie könnten also als Speicher für aus Windkraft- oder Solaranlagen gewonnene Energie genutzt werden. Dadurch eignen sie sich sehr gut für den Einsatz in Bereichen, die nur schwer direkt elektrifiziert werden können, zum Beispiel für den Einsatz in der chemischen Industrie, für Langstreckenflüge, industrielle Prozesse, die hohe Temperaturen erfordern, Schwerlasttransporte und Langzeit-Energiespeicherung. Problematisch jedoch die Hoffnung, synthetische Brennstoffe könnten fossile Brennstoffe so weit ersetzen, dass der Umbau von Infrastrukturen für die direkte Elektrifizierung überflüssig wird. CO2 mit Hilfe von synthetischen Brennstoffen einzusparen, kostet derzeit 800 bis 1.200 Euro pro Tonne. Bei Großindustrieller-Produktion könnten die Kosten bis 2050 auf 20 bis 270 Euro pro Tonne eingespartes CO2 gesenkt werden. Doch momentan gilt es als unwahrscheinlich, dass synthetische Brennstoffe früh genug reichlich und billig zu haben sein werden. Es wäre gefährlich, die Transformation zu direkter Elektrifizierung zu vernachlässigen. Das könnte zu einem sogenannten Lock-In-Effekt führen: Sollten E-Fuels nicht den Erwartungen entsprechen, wäre man weiter auf fossile Brennstoffe angewiesen. Eine vernünftige Klimapolitik sollte jedoch den Einsatz von synthetischen Brennstoffen fördern, aber sich absichern gegen das Risiko, dass nicht genügend davon zur Verfügung stehen könnten.

Berechnungen ergeben, dass die Energieeffizienz – also die Umwandlung von Elektrizität in nutzbare Energie – je nach Einsatzgebiet 10 bis 35 Prozent beträgt. Daraus folgt, dass 2 bis 14 Mal so viel elektrische Energie benötigt wird, als für die direkte Elektrifizierung.
Die Klimawirksamkeit von E-Fuels hängt von der Kohlenstoff-Intensität der zur Erzeugung benötigten Elektrizität und der CO2-Quelle ab. Beim derzeitigen Elektrizitätsmix in Deutschland etwa, würden E-Fuels in Autos, LKWs oder Flugzeugen 3 bis 4 Mal so viel Treibhausgas emittieren als fossile Brennstoffe! Bis 2030 kann also von synthetischen Kraftstoffen kein Klimaschutz-Effekt erwartet werden, es sei denn, sie könnten aus Ländern

mit reichlich Wind- und Sonnenkraft und den für die Erzeugung notwendigen Anlagen importiert werden.

Perspektive

Meine Perspektive möchte ich beginnen mit dem Satz: „Die Europäische Union ist eine Kompromissmaschine“. Durch das absehbare Blocken durch Enthaltung („German Vote“) seitens Deutschlands und der fünf weiteren EU-Staaten wird also Frankreich durch dessen Ratspräsidentschaft einen Kompromiss finden müssen.

Zum einen könnte Frankreich mit seiner Ratspräsidentschaft die Debatte als noch nicht abschließend bearbeitet deklarieren, sodass der Gesetzesentwurf zunächst aufgeschoben wird. Es besteht also zunächst die Möglichkeit, dass aufgrund der aufgeheizten Debatte rund um das Aus des Verbrenner-Motors dieses Gesetzgebungsverfahren noch Wochen und Monate auf sich warten lässt.

Allerdings erklärten die EU-Staaten, dass diese am 28. Juni 2022 ihre Position zu dem Vorhaben verabschieden wollen. Dabei muss wie bereits dargestellt nicht einstimmig entschieden werden – es reicht eine qualifizierte Mehrheit. Deutschland könnte sich, bleiben die Fronten wie aktuell verhärtet, bei der Abstimmung jedoch enthalten mit wiederrum aufschiebenden Folgen für den Gesetzgebungsprozess.

In beiden Varianten komme ich persönlich also zum Ergebnis, dass der momentane Gesetzesentwurf wohl nicht am 28. Juni 2022 verabschiedet werden wird, sondern das ein Kompromiss gefunden werden muss.

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