Seit 2005 gibt es den Emissionshandel in der EU (ETS). Er legt eine Höchstmenge an klimaschädlichem Ausstoß fest, der Europas Kraftwerken und Fabriken im Jahr zusteht. Diese Menge wird von Jahr zu Jahr etwas kleiner (Abb. 1).
Und weil die Industrie in Europa immer noch viel CO₂ erzeugt, buhlen die Unternehmen um die Zertifikate – was den Preis seit ein paar Jahren kontinuierlich steigen lässt. Im EU-ETS werden die Emissionen von europaweit rund 10.000 Anlagen der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie erfasst (Stand 01.11.2022). Zusammen verursachen diese Anlagen rund 36 % der Treibhausgas-Emissionen in Europa. Seit 2012 ist auch der innereuropäische Luftverkehr in den EU-ETS einbezogen. Seit 2020 ist das System außerdem mit dem Schweizer Emissionshandelssystem verlinkt. Besonders deutlich lassen sich die Auswirkungen des ETS im Luftverkehr beobachten (Abb. 2).
Um die Frage zu beantworten, wann die letzten Zertifikate ausgegeben werden, lohnt es sich, die Einigungen im Trilog-Verfahren der EU im Dezember 2022 nochmals kurz vor Augen zu führen:
Aus dem Emissionshandelssystem der EU, welches die Energieerzeugung oder auch andere energieintensive Industrien wie z.B. die Zementherstellung betrifft (ETS-1), sollen künftig Millionen Zertifikate entnommen werden und deutlich weniger Zertifikate verschenkt werden. Bis 2030 sollen nur noch 50 % von dem, was heute verschenkt wird, übrigbleiben – bis 2034 sollen die Schenkungen sogar ganz auslaufen. Dies führt wohl dazu, dass der Preis pro Tonne CO2 steigt (93,67 EUR pro t CO2 – 05.02.2023). Dr. Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erklärt, dass bei einem Preis von 140 EUR pro Tonne CO2 selbst moderne Braun- und Steinkohlekraftwerke nicht mehr rentabel arbeiten können und von einem Aus der Kohleverstromung im Jahr 2030 auszugehen sei.
Zudem wird ein EU-ETS-2 Emissionshandelssystem bis 2027 eingeführt werden. Dieses soll auch die Bereiche Verkehr und Gebäude inkludieren, Emissionen bepreisen und folglich deckeln. Im Ergebnis führen die ETS-1 und ETS-2 dazu, dass ab 2027 75 % alle CO2-Emissionen bepreist und folglich gedeckelt sind.
Nach dieser Reform des Emissionshandels im Dezember 2022 dürften nach Berechnungen von Dr. Felix Christian Matthes vom Öko-Institut e.V. die letzten CO2-Emissions-Zertifikate im ETS 1 und ETS 2 im Jahr 2038 von der Europäischen Union ausgegeben werden, also in rund 15 Jahre. Einige Zertifikate verbleiben dann nur noch in Altbeständen.
Mit dieser Blickrichtung und des nun klar werden Transformationsbedarfs in der europäischen Wirtschaft wird die Dringlichkeit der Berücksichtigung von ESG-Risiken im Rahmen von Investitionen deutlich. Sollten Unternehmen diese Transformation verschlafen, werden Betriebe schlimmstenfalls stillgelegt oder enorm teuer Zertifikate aus Altbeständen von der Konkurrenz abgekauft werden müssen.