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Dieser Beitrag soll einen Überblick geben, welche Rolle Wasserstoff als Energieträger in den kommenden Jahrzehnten in Deutschland einnehmen soll. Dafür muss zunächst geklärt werden, wofür Wasserstoff perspektivisch eingesetzt wird, was genau der am 21. Juli 2022 vorgestellte Wasserstoffatlas ist und wie die Zukunft dieser Technologie nach Vorstellung der Ampel-Regierung konkret aussehen soll.
Wofür wird Wasserstoff gebraucht?
Wasserstoff ist ein flexibel einsetzbarer und verhältnismäßig leicht transportierbarer Energieträger. Wenn er mit erneuerbaren Energien hergestellt wird, ist er zudem klimafreundlich. Zunächst sind deshalb die unterschiedlichen Herstellungs- oder Gewinnungsmethoden zu betrachten:
- Grauer Wasserstoff: Ist ein Produkt der Dampfreformierung fossiler Brennstoffe wie Erdgas, Kohle oder Öl. Dabei entsteht CO2, welcher in die Atmosphäre abgegeben wird. Grauer Wasserstoff ist daher nicht klimaneutral.
- Blauer Wasserstoff: Entsteht wie grauer Wasserstoff ebenfalls durch Dampfreformierung, allerdings wird das entstandene CO2 danach unterirdisch gelagert (CCS-Technik). Blauer Wasserstoff kann daher klimaneutral sein.
- Pinker/Gelber Wasserstoff: Entsteht durch Elektrolyse. Der benötigte Strom stammt aus der Kernenergie. CO2 entsteht dabei nicht, wohl aber radioaktiver Abfall, der sicher und dauerhaft endgelagert werden muss.
- Grüner Wasserstoff: Wird ebenfalls durch Elektrolyse hergestellt. Windkraft, Wasserkraft oder Sonnenenergie liefern den dafür benötigten Strom (Power-to- Gas-Technologie). Damit ist die Herstellung von grünem Wasserstoff CO2-neutral.
- Türkiser Wasserstoff: Ein Produkt von Methanpyrolyse. Dabei wird das Methan im Erdgas in Wasserstoff und festen Kohlenstoff gespalten. Dadurch gelangt kein CO2 in die Atmosphäre. Wenn die hierfür benötigte Energie aus Erneuerbaren stammt, ist die Erzeugung von türkisem Wasserstoff klimaneutral. Deswegen sprechen auch viele Wissenschaftler nicht von einer notwendigen Dekarbonisierung, sondern Defossilisierung.
Wasserstoff soll fossile Energieträger ersetzen, Deutschlands größte Treibhausgas- Verursacher klimafreundlich umzugestalten und gleichzeitig den Technologiestandort Deutschland stärken. Grüner Wasserstoff ist dabei fundamental für das Erreichen der Pariser Klimaschutz-Ziele und das Ziel der Bundesregierung, bis 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen.
Wichtigster Anwendungsbereich ist die Industrie. Hier könnte Wasserstoff Kohle, Erdgas und Erdöl ersetzen. Grüner Wasserstoff kann aber auch als Kraftstoff für LKW, Schiffe und Flugzeuge genutzt werden. Zudem lässt sich mithilfe von Brennstoffzellen Wärme und Strom aus Wasserstoff gewinnen. Er kann also auch für dieStrom- und Wärmeerzeugung genutzt werden.
Der neue Wasserstoffatlas
Der neue Wasserstoffatlas Deutschland beschreibt den Stand der deutschen Wasserstoffwirtschaft. Daraus wird zunächst klar: Deutschland wird auf Wasserstoffimporte aus dem Ausland angewiesen sein. Denn der Energiebedarf Deutschlands ist weit aus höher als die Energiemenge, die Deutschland selbst produzieren kann. 2050 sind bis zu 600 Terawattstunden (TWh) aus Wasserstoff pro Jahr notwendig. Heute werden rund 55 TWh bis 60 TWh Wasserstoff in Deutschland produziert und verbraucht, allerdings handelt es sich hierbei überwiegend um grauen Wasserstoff aus Erdgas und lediglich zu etwa 5 % um grünen Wasserstoff.
Der Wasserstoffatlas bietet dennoch die Möglichkeit Potenzial, Verbrauch, Kosten und Emissionsminderungen verschiedener Wasserstoffanwendungen auf regionaler Ebene in ganz Deutschland einzuschätzen. Damit soll ein flächendeckendes und frei zugängliches Instrument bereitgestellt werden, welches den Einstieg in konkrete technische Planungen für Staat und Wirtschaft erleichtert und – so die Hoffnung – der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland beschleunigt werden.
Dass Deutschland jedoch Energieimporteur bleiben wird, unterstreicht der Atlas deutlich. Mögliche Wasserstoffpartner für Deutschland sind Länder, in denen es genug Sonne und Wind für die Erzeugung von grünem Wasserstoff gibt – etwa Australien, Ägypten oder Namibia. Gemeinsam müssen also Lieferketten für grünen Wasserstoff aufgebaut und etabliert werden. Grüner Wasserstoff soll beispielsweise per Schiff von Australien nach Deutschland importiert werden. Dass das möglich ist, haben Forschende in der Machbarkeitsstudie HySupply für Australien gezeigt. Dabei ging es neben Ammoniak als Transportmittel für Wasserstoff auch um die Möglichkeit Hochdruck-Speicher für Wasserstoff einzurichten. Für die Partnerschaft mit Afrika ist ebenfalls ein Wasserstoffatlas in Arbeit. Erste Ergebnisse des H2 Atlas für Westafrika liegen bereits vor. In der gesamten Region gibt es enorme Potenziale für die Produktion von grünem Wasserstoff.
Zukunft der Technologie Vorstellung der Ampel-Regierung
Rund um das Thema Wasserstoff sind die sogenannten Power-to-X-Technologien von besonderer Bedeutung: Unter Zuhilfenahme von erneuerbarem Strom lassen sich mit diesen Technologen unterschiedliche Energieträger herstellen:
Bei Power-to-Gas (Strom zu Gas) entstehen gasförmige Stoffe wie Wasserstoff oder Methan. Power-to-Gas beschreibt dabei das zentrale Kopplungselement zwischen Strom- und Gasinfrastruktur. Die strombasierte CO2-freie Erzeugung von Gasen erlaubt es, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung und an der Energieversorgung insgesamt gleichermaßen zu steigern. Für die saisonale Speicherung von Energie ist die Nutzung von Power-to-Gas-Technologien heute wohl nahezu alternativlos. Die systemischen Vorteile des Einsatzes von Power-to-Gas, nämlich physikalisch-technische Speicherbarkeit, vorhandene Gasnetz- und Speicherinfrastruktur, entlasten den klassischen Stromsektor durch mehr Flexibilität und sollen zu Kostendämpfungen in den zu erschließenden Sektoren führen.
Power-to-Chemicals (Strom zu Chemikalien) produziert chemische Ausgangsstoffe, die industriell weiterverarbeitet werden. Power-to-Chemicals basiert auf dem Power-to-Gas- Prozess, mit dem sie eng verwandt ist. Allerdings werden die erzeugten Produkte nicht zur direkten Energiespeicherung eingesetzt, sondern sind für die stoffliche Nutzung bestimmt, um auf diese Weise auch die Grundstoffproduktion der Industrie Dekarbonisierung zu können. Da Kohlenstoff die Basis Chemieprozesse ist, kann man in diesem Fall nicht die Dekarbonisierung sprechen, sondern von einer Defossilisierung. Als Abnehmer der chemischen organischer von einer Produkte kommt insbesondere die Chemieindustrie in Frage. Jedoch haben auch weitere Industriebranchen einen teils hohen Bedarf für Wasserstoff oder andere Synthesegase. Beispielsweise könnten Erdölraffinerien, die einen erheblichen Wasserstoffbedarf zur Herstellung von Kraftstoffen haben, mit Wasserstoff aus Power-to-Gas Anlagen versorgt werden, womit der CO2-Ausstoß des Verkehrs nennenswert gesenkt werden könnte. Dies wäre auch dringend notwendig, da insbesondere der Verkehrssektor nach dem Bundes- Klimaschutzgesetz (KSG) die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 auf 85 Mio. t CO2-Äq. senken muss – im Vergleich zum Jahr 2019 stellt dies ungefähr eine Halbierung (-48 %) dar.
Das Ergebnis von Power-to-Fuel (Strom zu Sprit) ist klimafreundlicher Kraftstoff – sog. „E- Fuels“. E-Fuels oder synthetische Kraftstoffe sind Kohlenwasserstoff-Brennstoffe, die aus Wasserstoff und CO2 synthetisiert werden. CO2 kann direkt aus der Atmosphäre, aus Biomasse oder aus Industrieemissionen gewonnen werden. Diese flüssigen oder gasförmigen Brennstoffe können ihr jeweiliges fossiles Gegenstück perfekt ersetzen. Sie zeichnen sich aus durch hohe Energiedichte und können gut gelagert und transportiert werden. Sie könnten also als Speicher für aus Windkraft- oder Solaranlagen gewonnene Energie genutzt werden. Dadurch eignen sie sich sehr gut für den Einsatz in Bereichen, die nur schwer direkt elektrifiziert werden können, zum Beispiel für den Einsatz in der chemischen Industrie, für Langstreckenflüge, industrielle Prozesse, die hohe Temperaturen erfordern, Schwerlasttransporte und Langzeit-Energiespeicherung.
Kurzzusammenfassung: Wasserstoff ist kein „Champagner“ der Energiewende
Wasserstoff kann unterschiedlich hergestellt bzw. gewonnen werden. Wasserstoff soll in Deutschland neben erneuerbaren Strom der Haupttreibstoff werden, welcher Deutschland in Richtung Klimaneutralität bis 2045 bringt. Nach den neusten Hochrechnungen vom 21. Juni 2022 besteht ein Gesamtbedarf von 700 TWh bis 2050, also dreimal so viel wie momentan in alle Gasspeicher passt. Ein Zwischenziel im Jahr 2030 sind 100 TWh. Heute werden rund 55 TWh bis 60 TWh Wasserstoff in Deutschland jährlich produziert und verbraucht. Allerdings handelt es sich hierbei überwiegend um grauen Wasserstoff aus Erdgas und lediglich zu etwa 5 % um grünen Wasserstoff. Durch den Wasserstoffatlas soll jedes Bundesland seine potenziale erkennen können (abzüglich des Strombedarfs für beispielsweise Elektroautos, Wärmepumpen usw.) – also das zusätzliche Potenzial. Es wurde zudem ein theoretisches Potenzial von 800 TWh (rein technisch) für Deutschland berechnet. Dass dies allerdings sozialunverträglich wäre, ist dabei zweifellos. Deshalb sind Wasserstoffpartnerschaften mit Drittländern ein weiterer Pfeiler für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland.
Quellen:
Bild1: https://wasserstoffatlas.de – Screenshot 23.07.2022
Bild2: https://africa.h2atlas.de/ecowas – Screenshot 23.07.2022