Der Krieg in der Ukraine führt nicht allein zu ökonomischen, – sondern insbesondere auch zu ökologischen Herausforderungen. So hinterlassen beispielsweise die Bombardierungen der fossilen Infrastrukturen ein Gemisch aus verschiedenen toxischen Stoffen, die schwerwiegende Umweltschäden verursachen, gleichzeitig werden Rohstoffe und Ressourcen von allen Kriegsbeteiligten in Aufrüstung investiert, die zur Bewältigung der Klimakrise nötig wären.
Dennoch verbleiben der Menschheit noch rund 8 Jahre, um das 1,5°C-Ziel noch zu erreichen – entsprechend dem globalen CO2-Budget und den Berichten des IPCC. Dafür sind gravierende Veränderungen in allen Bereichen dringend notwendig. Es brauche einen sogenannten „systemischen Wandel“, heißt es in dem Anfang April veröffentlichten IPCC-Bericht. (1) Der militärische Sektor wird darin jedoch größtenteils ausgeklammert. Außerdem gibt es in Sachen Verteidigung- und Rüstung ein großes Transparenz- und Publizitätsproblem. Die Emissionen von Streitkräften und Kriegsgerät verursachen auf globaler Ebene beträchtliche Schäden. Trotzdem wurde der CO2-Ausstoß des Militärs auf Druck der USA in Klimaabkommen wie dem Kyoto-Protokoll 1997 und dem Pariser Klimaschutzabkommen 2015 ausgelassen. Emissionen werden also weder konsistent erhoben noch transparent veröffentlicht. Die dadurch fehlende Datenlage führt dazu, dass die Auswirkungen des Militärs auf die Erderhitzung nur ungenau berechnet werden können.
Klar ist: Das Ausmaß der Treibhausgasemissionen hängt dabei von der Länge des Krieges und den eingesetzten Panzern, Flugzeugen und Lkw ab. Eine Studie von der Organisation Oil Change International ergab, dass der 2003 begonnene Irakkrieg 141 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent ausgestoßen hat. (2)
Der Einsatz von militärischem Gerät führt also zu massiver Luftverschmutzung. Im Ukrainekrieg wurden allein in den ersten fünf Wochen36 russische Angriffe auf Infrastruktur für fossile Energieträger gezählt. (3) Auch auf russischer Seite wurde bereits Öl- Infrastruktur in Brand gesetzt. (4) Außerdem werden CO2-speichernde Ökosysteme durch Schadstoffe zerstört. Zurzeit sammeln Mitarbeitende der ukrainischen Umweltbehörde bereits Wasser- und Bodenproben in der Umgebung von bombardierten Industrieanlagen.5 Außerdem geht der Wiederaufbau nach einem Krieg mit einem hohen Verbrauch an Emissionen einher. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos von mindestens (5) Milliarden USD Aufbauhilfe p.m., die hierfür nötig seien. (6)
Weltweit soll der militärische Sektor für sechs Prozent der globalen CO2-Äquivalent-Emissionen verantwortlich sein.
Mit dem 100 Mrd. EUR Sondervermögen nimmt Deutschland weitreichende Klimaschäden billigend in Kauf. Finanzielle Ressourcen werden durch die Aufrüstung zusätzlich gebunden. So wird es kaum möglich sein, dass 1,5°C-Ziel einzuhalten. Das Verlangen nach Sicherheit gegenüber potenziellen russischen Aggressionen ist verständlich. Dennoch muss zwischen einem zweifelhaften Plus an Sicherheit und einem Minus an Klimaschutz in der öffentlichen Debatte abgewogen werden. Deutschlands Militär hat nach Schätzungen im Jahr 2019 circa 4,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent ausgestoßen,7 und damit wesentlich mehr als der innerdeutsche Flugverkehr mit 2,5 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent. Allein eines der von Lockheed Martin geordertenF-35- Kampfflugzeuge produziert mit einer einzigen Tankfüllung circa 28 Tonnen CO2- Äquivalent. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch eines jeden Bürgers liegt in der Bundesrepublik bei 11,2 Tonnen CO2-Äquivalent p.a.
Der durch fossile Ressourcen betriebene Krieg und die intransparente Erhebung von Emissionen im Rüstungsbereich lässt für Klimaschützer also nur ein Ergebnis zu: Der Krieg muss beendet werden. Zudem muss man auch leider daran festhalten, dass die Bewältigung der Klimakrise nur zusammen mit allen Ländern – und dazu gehört auch Russland – gelingen kann. Was wir als Erstes benötigen, ist ein Waffenstillstand, gefolgt von völkerrechtlichen Regelungen für Abrüstung. Ferner muss Russland unterstützt werden, auf eine klimafreundliche Energiewirtschaft umzusteigen. Es braucht eine grundlegende sozial-ökologische Transformation, in der die Bedürfnisse aller Menschen im Zentrum der Politik stehen. Dies scheint derzeit undenkbar.
Was wäre jedoch eine tragbare Alternative? Eine ungebremste Klimaerwärmung würde die gesamte Weltbevölkerung in die Katastrophe führen – der Konflikt wäre also nicht (wie bisher) lokal begrenzt.
Alle Anstrengungen sollten demnach unternommen werden, um einen sofortigen Waffenstillstand zu erreichen – aus Klimaperspektive genauso wie um weiteres menschliches Leid zu verhindern.
1 https://report.ipcc.ch/ar6wg3/pdf/IPCC_AR6_WGIII_FinalDraft_FullReport.pdf
2 https://priceofoil.org/2008/03/01/a-climate-of-war/
3 https://www.globalcitizen.org/en/content/environmental-impact-of-war-in-ukraine/
4 https://www.sueddeutsche.de/politik/krieg-moskau-beklagt-beschuss-aus-ukraine-dpa.urn-newsml-dpa-com- 20090101-220501-99-115093
5 https://www.wsj.com/articles/russias-war-in-ukraine-could-have-environmental-impact-that-lasts-decades- 11650801603
6 https://www.rnd.de/politik/ukraine-wiederaufbau-selenskyj-rechnet-mit-fuenf-milliarden-dollar-pro-monat- 6M2HT53U5IEDSMGID4EJ22KPAY.html